Der Aufbau läuft in rasantem Tempo: Nach dem Auftakt 2019 mit den Standorten Chemnitz, Wolfsburg (beide Deutschland) und Polkowice (Polen) wurden 2020 bereits 15 weitere europäische Fabriken von Palmela (Portugal) bis Mlada Boleslav (Tschechien) Teil der Industrial Cloud. Auch die ersten nordamerikanischen Werke kamen hinzu. 2021 will das zuständige Team aus Produktion und IT 26 zusätzliche Standorte in die Plattform holen – unter anderem in Südamerika. Damit wären alle großen Pkw- und Komponentenwerke des Konzerns angebunden. Auch während der Corona-Pandemie geht der Ausbau zügig weiter – mit digitalen Mitteln.
Voll vernetzt: Volkswagen baut Industrie-Cloud für alle Werke
Es ist ein großes Projekt: Mit dem Aufbau der Industrial Cloud führt der Volkswagen Konzern Produktionsdaten aus mehr als 120 Fabriken in einer leistungsstarken digitalen Plattform zusammen. Das Ziel: mehr Effizienz, weniger Kosten. Langfristig sollen auch Zulieferer Teil der Cloud werden, wodurch die Vorteile des Datenaustauschs weiter wachsen würden. In diesem Dossier erklären wir, wie der Ausbau funktioniert und welche Vorteile die Cloud schon heute bringt.
Partnerschaft mit AWS und Siemens
Das Unternehmen treibt die Cloud gemeinsam mit Amazon Web Services (AWS) voran. Volkswagen bringt dabei sein umfangreiches Wissen über industrielle Prozesse und exzellente Produktion ein, AWS die Expertise für maschinelles Lernen und Cloud-Computing-Services. Integrationspartner Siemens sorgt für die effiziente Vernetzung der Produktionssysteme, Maschinen und Anlagen unterschiedlicher Hersteller in den weltweiten Werken. Grundlage der Industrial Cloud ist die Digital Production Platform (DPP) von Volkswagen, an die künftig alle Standorte im Konzern andocken. Die Plattform vereinheitlicht und vereinfacht den system- und werkeübergreifenden Datenaustausch.
Für die Sicherheit der Daten sorgen höchste Standards: So macht es die Vernetzung über die Cloud beispielsweise einfacher, den Einsatz einer unbekannten Software zu erkennen und schnell zu reagieren. Darüber hinaus werden alle Informationen, die in der Industrial Cloud verarbeitet werden, von Volkswagen in einer Art digitalem Bankschließfach zusätzlich gesichert. Volkswagen entscheidet somit souverän, mit wem und für welchen Zweck Daten ausgetauscht werden.
Industrial Cloud wird zum App-Store
Volkswagen will die Produktivität seiner Werke bis zum Jahr 2025 um 30 Prozent gegenüber 2016 erhöhen. „Wir werden die Produktion als Wettbewerbsfaktor für den Volkswagen Konzern weiter stärken“, sagt Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender von Porsche und im Vorstand der Volkswagen AG für Produktion zuständig. Die Industrial Cloud ist ein entscheidender Hebel, um dieses Ziel zu erreichen. Dafür sollen Daten aus sämtlichen Fabriken zusammengeführt und in Echtzeit nutzbar gemacht werden. Damit schafft Volkswagen die Voraussetzung für effizientere Prozesse. In der finalen Ausbaustufe erwartet das Unternehmen Kostensenkungen von mehreren Milliarden Euro.
Die Vorteile sollen durch neue Software-Lösungen entstehen, die beispielsweise eine noch effizientere Steuerung des Materialflusses, eine optimierte Fahrweise von Maschinen und Anlagen oder Einsparungen beim Energieverbrauch ermöglichen. Der Konzern hat bereits 30 Anwendungen definiert, die nun Schritt für Schritt für alle Werke zur Verfügung stehen. Schwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der vorausschauenden Wartung oder bei der Reduzierung von Nacharbeiten durch Künstliche Intelligenz (KI). Grundsätzlich funktioniert der Austausch nach dem App-Store-Prinzip: Jeder Standort kann aus der Industrial Cloud diejenigen Software-Anwendungen beziehen, die vor Ort hilfreich sind. Standortspezifische Lösungen können die Werke zudem mithilfe einheitlicher Tools selbst entwickeln und über die Industrial Cloud auch anderen Werken anbieten.
Anwendungsbeispiele – hier hilft die Industrial Cloud:
Werk Emden: Permanente Qualitätskontrolle beim Schweißen
Im Volkswagen Werk Emden wird die Auswertung von Schweißdaten künftig für eine noch bessere Qualitätskontrolle genutzt. Die Herausforderung: Bisher werden die Schweißpunkte an den Fahrzeugkarosserien manuell per Ultraschall geprüft. Dies ist jedoch so zeitaufwändig, dass die zuständigen Mitarbeiter nur Stichproben nehmen können. „Künftig werden die Schweißroboter die notwendigen Daten zu Stromfluss und Spannung automatisch erheben. Ein Algorithmus gleicht ab, ob die Werte den Standards entsprechen“, sagt Projektmanager Mathias Boomgaarden. Der Vorteil: Sämtliche Mängel werden erkannt.. Mitglieder des bisherigen Prüf-Teams werden sich künftig um die Überwachung der Daten am Dashboard kümmern und bei auffälligen Schweißpunkten manuell nachprüfen.
Die verbesserte Qualitätskontrolle beim Schweißen ist ein Beispiel für die Vorteile des Austauschs im Konzern. „Ein ähnliches System gibt es schon bei Audi. Wir haben viel davon gelernt“, sagt Boomgaarden. Für das Werk Emden wurde die KI-Lösung angepasst, erste Anlagen wurden in einer Pilotphase bereits angebunden. „Die Ergebnisse sind gut. Der Regelbetrieb könnte demnächst beginnen, wenn die letzten Herausforderungen gemeistert wurden“, sagt Boomgaarden.
Werk Hannover: Frühwarnsystem im Bulli-Bau
Bei Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) in Hannover führt eine Anwendung der Industrial Cloud Daten aus der laufenden Produktion in einem System transparent und übersichtlich zusammen. Per Mausklick ist so in Echtzeit einsehbar, ob mögliche Engpässe in der Fertigung entstehen können. „Ziel ist es, ein Frühwarnsystem in der Produktion aufzubauen und somit teure Unterbrechungen in der Fabrik zu beseitigen“, sagt Jörg Heptner, verantwortlich für die Einführung der gemeinsamen Datenplattform bei VWN in Hannover. Die grundsätzliche Situation: In jeder Fabrik gibt es Puffer als Übergänge zwischen den Produktionsanlagen und an den Übergängen zwischen den verschiedenen Fertigungsabschnitten. „Die Puffer sorgen dafür, dass die Abschnitte atmen können und nicht starr aneinander gekoppelt sind. Läuft ein Puffer leer, gerät die Fertigung ins Stocken. Ist er zu voll, kommt es zum Stau“, so Heptner.
„Ziel ist es, ein Frühwarnsystem in der Produktion aufzubauen und somit teure Unterbrechungen in der Fabrik zu beseitigen“, sagt Jörg Heptner, verantwortlich für die Einführung der gemeinsamen Datenplattform bei VWN in Hannover. Die grundsätzliche Situation: In jeder Fabrik gibt es Puffer als Übergänge zwischen den Produktionsanlagen und an den Übergängen zwischen den verschiedenen Fertigungsabschnitten. „Die Puffer sorgen dafür, dass die Abschnitte atmen können und nicht starr aneinander gekoppelt sind. Läuft ein Puffer leer, gerät die Fertigung ins Stocken. Ist er zu voll, kommt es zum Stau“, so Heptner.
In einem Pilotprojekt in der Fertigung des T6.1 sorgt die einheitliche Auswertung der Daten bereits dafür, dass Leerstandszeiten in den Pufferstrecken transparent werden - ein guter Indikator für mögliche Produktionsstörungen. „Über die Identifikation der Puffer mit den längsten Leerstandszeiten wird es möglich, Schwachstellen zu erkennen und gezielt zu beseitigen“, sagt Hartmut Lüdtke, der das Projekt für den Bereich Produktionsstrategie federführend begleitet.
Die Grundidee für das Frühwarnsystem stammt aus der Planung der Marke Volkswagen. Daher wurde das Pilotprojekt gemeinsam mit Experten der Produktionsstrategie und der Konzern-IT aus Wolfsburg umgesetzt. Aktuell arbeitet das Team daran, eine skalierbare Lösung zu schaffen, die mit geringem Aufwand auf andere Werke übertragen werden kann. Dies soll noch in diesem Jahr an mehreren Standorten geschehen.
Werk Leipzig: Künstliche Intelligenz als Sprachgenie
Bei Porsche in Sachsen erweist sich Künstliche Intelligenz als wichtige Hilfe, um Etiketten in unterschiedlichen Sprachen schnell und fehlerfrei zu kontrollieren. Die Herausforderung: An jedem hergestellten Fahrzeug sind mehrere Etiketten mit Fahrzeuginformationen oder Hinweisen für Airbags angebracht. Viele dieser Aufkleber enthalten länderspezifische Angaben und sind in der Sprache der Kunden verfasst. Im Porsche Werk Leipzig gleicht eine App den Inhalt der Etiketten anhand von Fotos in Echtzeit ab und gibt Feedback, ob alles in Ordnung ist. Dies spart pro Fahrzeug mehrere Minuten.
Grundlage ist das Bilderkennungsverfahren Industrial Computer Vision. Das Prinzip: Menschen trainieren eine Künstliche Intelligenz darin, optische Daten auszuwerten und Fehler aufzuspüren – extrem zuverlässig und in kürzester Zeit. Die Erprobungsphase in Leipzig sowie im Porsche Werk Zuffenhausen wurde erfolgreich abgeschlossen, sodass die Lösung nun über die Industrial Cloud ausgerollt wird und vielen Standorten zur Verfügung steht.
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