Und da kommt Volkswagen ins Spiel…
Wir haben ein fast 70.000 Quadratmeter großes Fabrikgebäude, in dem wir bis vor ein paar Monaten Komponenten gefertigt und Ersatzteile für unsere Händler gelagert haben. Die Komponentenfertigung ist mittlerweile in ein Gebäude in die Nähe unseres Werks gezogen, das Ersatzteillager nach Kapstadt. Das alte, leerstehende Gebäude hätte eigentlich in Kürze verkauft werden sollen, jetzt stellen wir es als Behelfskrankenhaus zur Verfügung. Die Mediziner waren gleich hellauf begeistert, als wir ihnen das Gebäude zum ersten Mal gezeigt haben. Es ist sehr groß, es kommt über Fenster im Dach viel Tageslicht rein und es verfügt über große Tanks, in denen wir früher Argon für Schweißgeräte gelagert haben. Die werden nun zu Flüssig-Sauerstofftanks umgebaut. Schließlich wird zur Versorgung von Corona-Patienten jede Menge Sauerstoff benötigt.
Wer betreibt das Krankenhaus?
Wir können bei Volkswagen Autos bauen – aber keine Menschenleben retten. Deshalb war für uns von Anfang an klar: Wir stellen die Fabrik zur Verfügung und bereiten das Krankenhaus bis zur Schlüsselübergabe vor, betreiben muss es aber jemand anderes. Das übernimmt das Gesundheitsministerium hier vor Ort.
Wie wird das Projekt finanziert?
Wir haben in der Vergangenheit schon verschiedene Projekte gemeinsam mit dem Bundesentwicklungsministerium in Berlin umgesetzt. Als wir dem BMZ nun von unseren Plänen berichtet haben, war man dort hellauf begeistert und hat uns zugesagt, den Aufbau des Behelfskrankenhauses mit mehreren Millionen Euro zu unterstützen. Die Anträge wurden in Rekordgeschwindigkeit genehmigt.
Wie lange dauert es, bis die ersten Covid-19-Patienten in der ehemaligen Fabrik behandelt werden können?
Hätten wir die ganze Halle auf einmal umgebaut, hätte es knapp vier Monate bis zur Fertigstellung gedauert. Um aber so schnell wie möglich die ersten Patienten aufnehmen zu können, haben wir entschieden, die Halle in drei Etappen umzubauen. So können wir schon in Kürze den ersten Bereich mit knapp 1.500 Betten übergeben, während die Handwerker in den beiden anderen Bereichen – räumlich getrennt von den Patienten - weiterarbeiten. Am 22. Juni soll das Behelfskrankenhaus dann komplett fertig sein, dann können hier 4.000 Patienten behandelt werden. Präsident Ramaphosa hat sich bereits zur Schlüsselübergabe angekündigt.
Woher rührt das außergewöhnliche Engagement von Volkswagen Südafrika im Kampf gegen das Corona-Virus?
Wir bei Volkswagen engagieren uns auch unabhängig von der aktuellen Krise für das Gemeinwohl. Angefangen bei unserem Volunteer-Programm „Show of Hands“, bei dem unsere Mitarbeiter viermal im Jahr ausrücken und ehrenamtlich soziale Einrichtungen renovieren, über HIV-Präventionsarbeit bis hin zu Bildungsprojekten. Lesen und Schreiben lernen ist in den vergangenen zwei Jahren eines unserer Kernthemen gewesen. Das Schöne ist: Mit ein bisschen Geld und viel Engagement kann man in Südafrika viel bewegen. Uns war deshalb schnell klar, dass wir hier als Volkswagen im Kampf gegen Corona eine noch größere Rolle als im Rest der Welt spielen müssen. Denn: Wenn wir es nicht machen, macht es keiner.
Wie stehen die Mitarbeiter zu diesem Engagement?
Die Mannschaft hat das super aufgenommen. Hier haben alle an einem Strang gezogen; viele haben sich gemeldet und wollten sich einbringen. Mir wurde immer wieder gespiegelt, wie stolz die Menschen sind, bei Volkswagen zu arbeiten. Und auch in der Öffentlichkeit kommt unser Engagement natürlich gut an. Man muss dazusagen, dass unserem Unternehmen hier ohnehin schon große Sympathien zufliegen; für viele Südafrikaner ist Volkswagen ein Teil der Familie. Einige wissen gar nicht, dass es ein deutsches Unternehmen ist.
Lassen Sie uns von Krankenhäusern auf Autos zu sprechen kommen. Welche Auswirkungen hat Corona auf die Produktion im Werk Uitenhage gehabt?
Während des sechswöchigen Shutdown stand die Produktion komplett still. Abgesehen von ein bisschen Notfall-Personal, das die Stellung gehalten hat, war das Werk verwaist. In der zweiten Maiwoche haben wir die Produktion wieder aufgenommen; zunächst mit einer Schicht, mittlerweile mit zwei. Dabei setzen wir alle Hygiene- und Sicherheitsvorgaben um, die weltweit bei Volkswagen gelten. Da profitieren wir sehr von Erfahrungen, die beim Wiederanlauf in anderen Werken des Konzerns gemacht wurden. In den ersten beiden Wochen haben wir den Polo überwiegend für den Export produziert, vor allem für England. Allmählich läuft jetzt auch wieder die Produktion für den afrikanischen Markt an. Leider stand die heimische Wirtschaft schon vor Corona gehörig unter Druck – das ist durch den wochenlangen Shutdown sicherlich nicht besser geworden.
In Deutschland wird aktuell über Kauf-Prämien diskutiert. Ist das auch für Südafrika eine Option?
Nein, das ist völlig ausgeschlossen. Dafür hat die Regierung kein Geld. Hier gibt es noch nicht einmal Kurzarbeitergeld. Wir haben unseren knapp 4.200 Mitarbeitern während des Shutdowns einen Teil ihres Gehalts freiwillig gezahlt. Außerdem gab es die Möglichkeit, Überstunden abzubauen und Urlaub zu nehmen und damit 100% des Gehalts zu erhalten.
Volkswagen hat in den vergangenen Jahren damit begonnen, weitere Länder in Afrika zu erschließen. So gibt es mittlerweile Fertigungen in Kenia, Ruanda und Nigeria. Wird Corona die Subsahara-Strategie von Volkswagen über den Haufen werfen?
Ich halte es für wichtiger denn je, dass wir den afrikanischen Kontinent als Chancenmarkt begreifen. Von der Strategie, unsere Aktivitäten über den Kontinent zu verteilen und nicht nur auf Südafrika zu konzentrieren, bin ich nach wie vor überzeugt. Corona wirft uns bei unseren Bemühungen sicherlich zurück, aber die Pandemie ändert nichts an unserer grundsätzlichen Haltung. Eigentlich wollten wir im März in Ghana unsere Fabrik offiziell eröffnen; das haben wir vorerst aufgeschoben, nicht aber aufgehoben. Afrika bietet unserem Unternehmen immer noch Riesen-Chancen. Zumal seit dem 1. Mai die afrikanische Freihandelszone in Kraft getreten ist, sprich freier Waren- und Handelsverkehr zwischen vielen afrikanischen Staaten – da müssen wir dabei sein. Möglicherweise lassen sich in Afrika zwei Entwicklungsstufen überspringen: Viele Afrikaner hatten nie ein Festnetztelefon, bevor sie ein Handy hatten. Von daher müssen die Menschen auch nicht erst Benziner oder Diesel fahren, bevor sie elektrisch unterwegs sind.
So schwierig die aktuelle Situation auch ist – nehmen Sie auch etwas Positives aus dieser Corona-Zeit mit?
Wir waren bei Volkswagen Südafrika in den vergangenen Jahren eigentlich nur auf der Gewinnerstraße: steigende Produktionszahlen, steigende Marktanteile. Die Krise hat das Bewusstsein verstärkt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, dass wir Dinge noch kritischer hinterfragen müssen. Und zwar auch in Zeiten, in denen es vermeintlich gut läuft. Und ganz persönlich glaube ich, dass das Thema Nachhaltigkeit eine noch größere Bedeutung bekommen wird. Künftig werden wir uns noch mehr um die Frage kümmern, wie wir mit unserer Welt umgehen.