Morgensonne erwärmt die Strohballen, Schwalben sausen durch den Stall, es riecht nach Heu. Ungeduldig stampft Asti mit dem Huf auf: Die geballte Energie einer Pferdestärke braucht Bewegung. „Ruhig, geht gleich los.“ Astrid Göring legt dem Pferd die Schoner an. „Einfache Handgriffe, simple Dinge. Ich bin gern auf dem Hof, um den Kopf auszuschalten. Nur diese schönen Tiere, die Geräusche, die Gerüche, es gibt hier nur Praktisches, keine Theorie – ein Gegensatz zur Arbeitswelt mit Terminen und Fokus“, sagt die Volkswagen Designerin.
„Uns verbindet die Liebe zu Autos.“
Am Design eines neuen Modells arbeitet bei Volkswagen immer ein großes Team. So auch beim neuen Golf: Designer aus den unterschiedlichsten Disziplinen haben ihn mitgestaltet und ihre ganz individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen, Leidenschaften in das Golf Design einfließen lassen. Wir haben jeweils zwei von ihnen einen Tag lang durch ihre persönlichen Lebenswelten begleitet: Was bewegt sie, was inspiriert sie, was treibt sie an? „People shaping the Golf“, Teil 3 – Astrid Göring und Tomasz Bachorski an ihren Lieblingsorten in Wolfsburg und Braunschweig.
Ihre Arbeitswelt: Das ist der Bereich Color & Trim. Hier kreiert Astrid Göring sonst Außenfarben wie die für den neuen Golf. Der Pferdehof am Rande von Wolfsburg, das ist Freizeit – und doch wichtig für ihre Arbeit. Ausnahmsweise werden heute einmal beide Welten kombiniert: Ihr Kollege Tomasz Bachorski ist zu Besuch auf dem Hof, um sich diese sehr besondere Welt einmal genau anzuschauen.
Frischer Platz für Neues. Tomasz leitet bei Volkswagen den Bereich Interieur Design. Sein Herz schlägt vor allem für sportliche Automobile mit markantem Sound, aber die Faszination des Reiterhofs kann Tomasz absolut nachvollziehen: „Als Designer ist man ständig auf der Suche nach etwas Neuem. Aber man geht nicht gezielt zu einer Inspirationsquelle hin. Es sind vielmehr die Aktivitäten, die einen auf andere Gedanken bringen – auch, um mal loszulassen, damit man wieder frisch ist.“ Astrid stimmt zu: „Ich bin überzeugt, dass man ab und an zurücktreten muss, um neu anfangen zu können. Dann ist wieder Platz auf der Festplatte!“
Muster und Farben sind für Astrid allgegenwärtig, seit über 20 Jahren hat das Automobildesign sie „einfach nicht mehr losgelassen“. Seit 2012 bei Volkswagen, verdanken ihr viele Modelle ihre individuellen Farben. So auch der neue Golf, der hier auf dem Hof steht, mit seinem frischen Limonengelb, in farblich kräftigem Kontrast zum ländlichen Ambiente. Erstmals in einem Golf in „ihrer“ Farbe sitzend, strahlt Astrid. „Farben lösen Emotionen aus. Mir zaubert zum Beispiel das Limonengelb hier ein Lächeln ins Gesicht. Ich finde es schön, wenn Farben gute Laune oder glücklich machen.“
Langlebige Formen und moderne Welten. Die beiden Volkswagen Designer stehen inzwischen auf dem Reitplatz. Astrid longiert Stute Asti, Tomasz schaut sich das Schauspiel zunächst nur an, mit gebührendem Respekt. Nach kurzer Eingewöhnung übernimmt dann auch er die Longe, führt das Pferd, ist beeindruckt von der Kraft und der Eleganz des Vierbeiners.
Für Volkswagen arbeitet Tomasz schon seit 1997. Bereits zum dritten Mal hat er an einer neuen Golf Generation gearbeitet. Den erfahrenen Interieur-Designer reizt der automobile Gegensatz: Er liebt klassische Autos, wie seinen 50 Jahre alten 911er Porsche, darüber hinaus aber auch alles, was die digitale Zukunft bietet: „Manchmal bin ich ein Petrolhead, ich mag lautstarke Motoren, aber genauso auch den Sound eines reinen E-Antriebes. Ich liebe die klassische Autowelt, aber noch mehr liebe ich den automobilen Fortschritt, das digitale Zeitalter. Die Spannung zwischen langlebiger Form und moderner Welt und die Suche nach der nächsten Innovation – das ist für mich immer wieder sehr befreiend. So kann ich in meinen Gedanken noch viel weiter springen.“
Sein Team und er haben mit großer Leidenschaft an der nächsten Golf Generation gearbeitet: „Wir bringen den Fahrspaß ins Auto, aber auch das Gefühl von Zuhause. Eine fahrerorientierte Architektur des Innenraums, eine intuitive Bedienung, moderne Materialität und das Autofahren selbst – all das stand bei unserer Arbeit am Golf im Fokus. Früher zum Beispiel, da galten viele Knöpfe in einem Auto als Zeichen für viel Komfort, das war auch eine Art Statussymbol: Man wollte die Funktionen, die man sich leisten konnte, auch zeigen. Das ist heute nicht mehr so, die Begehrlichkeiten in der Autowelt ändern sich – sicher auch durch unsere innovativen Impulse“, sagt er lächelnd.
Tomasz zieht sein Mobiltelefon aus der Tasche und tippt energisch darauf: „Als das erste Telefon ohne Tasten auf den Markt kam, war das revolutionär. Das war neu – und man musste sich erst daran gewöhnen. Da gab’s auch erst Skeptiker, für die ein Telefon ohne Tasten nicht vorstellbar war. Heute sehen und nutzen wir diese Welt aber ganz anders!“ Tomasz öffnet die Tür des limonengelben Golf, weist stolz lächelnd in den Innenraum: „Sieht das nicht fantastisch aus? Automobildesign für das digitale Zeitalter, damit haben wir quasi die ganze Fahrzeugklasse neu definiert.“
Kleine Details, große Wirkung. Locationwechsel, Rollentausch, diesmal hat Tomasz Astrid eingeladen, zu einem Besuch in seiner persönlichen Inspirationswelt: einer Werkstatt in Braunschweig. Ein recht harter Kontrast zum idyllischen Reiterhof: Es riecht nach Öl, Werkzeug klimpert, leise dudelt ein Radio. Man merkt Tomasz an: Das hier ist seine Welt. „Der Umgang mit Klassikern, das Schrauben oder auch das Bauen von Möbeln bringt mich auf andere Gedanken. Andere Materialien, Formen – es erweitert meine Erlebniswelt.“ Sein absolutes Traumauto, ein restaurierter Porsche 911T von 1970, wird in dieser Werkstatt in Schuss gehalten, und hier hält sich auch Tomasz gerne auf.
Astrid ist begeistert, auch von den tollen Farben der vielen 911er, die hier bei Schrader Porsche Works stehen. „Tja, ein paar PS mehr hier drinnen. Ach, riecht das toll, der Geruch meiner Kindheit.“ Tomasz grinst: „Das hier ist für mich wie Powernapping.“ Umgeben von ansprechenden Formen der Automobilhistorie kommen die beiden Designer schnell ins Philosophieren. „Es ist spannend, klassische Autos zu sehen und dabei daran zu denken: Als sie auf die Straße kamen, waren sie, mit Blick von damals, die Zukunft!“, sinniert Tomasz. Astrid lacht.
Sie hat ein Geschenk für ihren Kollegen mitgebracht: Papierbausätze eines Mustang und eines Bugatti Veyron. Ohne es zu wissen, trifft sie damit doppelt ins Schwarze: Das eine weckt Tomasz’ Vorliebe für Klassiker – das andere ist ein Fahrzeug, dessen Interieur-Design er einst selbst entworfen hat. Gemeinsam bauen sie die Modelle aus Papier zusammen, dabei versonnen in der Vergangenheit schwelgend: „Mein autoaffiner Vater brachte immer neue Matchbox-Autos nach Hause, alle Modelle, alle Farben, und da fing das an“, blickt Astrid zurück. Tomasz hört ihr lächelnd zu, ergänzt: „Ich hab’ für die gespart, dann mit Plastilin Verbreiterungen gemacht und mit Mutters Nagellack umlackiert. Da war ich so etwa fünf Jahre alt.“ Dann lacht er laut los. „Wir sind also beide Automenschen – von Kindesbeinen an.“