Zu Besuch bei Romain Dumas, dem Volkswagen-Fahrer beim berühmtesten Bergrennen der Welt
Kraft tanken für Pikes Peak
Diskretion ist Ehrensache in diesem kleinen Ort am Rande von Genf. Na klar weiß sie, wer der Mann ist, der gerade bei ihr ein Baguette und ein paar Croissants gekauft hat. Bei knapp 3.000 Einwohnern kennt man sich. Promis wohnen hier einige, da ist einer der besten Langstrecken-Rennfahrer der Welt nicht einmal eine Ausnahmeerscheinung. Aber, so betont die Besitzerin der örtlichen Bäckerei, man lasse den Berühmteren unter den Nachbarn dezent ihre Ruhe.


Genau deswegen ist Romain Dumas, aufgewachsen im südfranzösischen Alès, hierher gezogen. Mit Partnerin Elysia und dem gemeinsamen Sohn Gabin lebt der Langstrecken-Weltmeister und zweimalige Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans in einem äußerlich unscheinbaren Haus mit Blick auf den Genfer See. In diesem privaten Umfeld holt sich Dumas die Ablenkung und Entspannung, die ihm mentale Kraft geben. Als Werkspilot von Porsche unter anderem in der Langstrecken-WM (WEC) und als Fahrer des Elektro-Rennfahrzeugs ID. R Pikes Peak von Volkswagen für das Bergrennen am 24. Juni 2018, braucht er die, um Höchstleistungen zu bringen.
Nur ein Hauch von Motorsport am Genfer See
„Ich bin mehr als die Hälfte des Jahres unterwegs. Das hier ist mein Rückzugsraum“, sagt Dumas. „Wenn ich zu Hause bin, hat meine Familie Vorrang. Wenn ich mich mit Freunden treffe, reden wir über alles Mögliche, nur nicht über Motorsport.“ Tatsächlich weist im Haus nur vergleichsweise wenig auf seinen Beruf hin. Im Flur hängt ein historisches Foto von einem Formel-3-Rennen aus den 1960er-Jahren. Auf einer Anrichte im Wohnzimmer steht ein Modell des Porsche 911, mit dem Dumas 2012 seine Premiere am Pikes Peak feierte, daneben ein Siegerpokal aus Le Mans.
Ansonsten hat sich Sohn Gabin im Wohnzimmer breit gemacht. Auf dem Fußboden liegen Spielzeug, Malbücher und Modellautos verstreut. „Das ist noch harmlos“, lacht Dumas. „In seinem Zimmer sieht’s aus, als wäre ein Hurrikan hindurchgefegt. Wir sind halt eine ganz normale Familie.“


Postkartenpanorama mit Mont Blanc
Im ersten Stock wird es dann doch etwas motorsportlicher. Bücher über Rennautos, Rennveranstaltungen und Rennfahrer füllen ein Regal. „Kein schlechter Leseraum, oder?“, grinst Dumas und tritt an das bodentiefe Fenster, durch das ein Panorama zu sehen ist, das denen berühmter Postkarten-Motiven ähnelt. In vielleicht fünf Kilometer Entfernung glitzert das Wasser des Genfer Sees, im Hintergrund schneebedeckte Berge. „Bei schönem Wetter sieht man von hier aus den Mont Blanc“, deutet Dumas in die Ferne. Er hält kurz inne und trinkt ein wenig von seinem Wasser mit Mandelsirup, sichtlich genießend. Bei seinem Lieblingsgetränk ist er seiner südfranzösischen Herkunft treu geblieben. Ein schöner Ort zum Entspannen. „Allerdings bin ich relativ selten hier“, räumt Dumas ein, der auch die Zeit zu Hause vor allem mit Sport verbringt.
Pokale haben Hausverbot – mit Ausnahmen
Zwischen den Motorsportbüchern finden sich dann doch ein paar Pokale, allesamt vom Bergrennen am Pikes Peak, das Dumas bereits drei Mal gewonnen hat. Man ahnt, dass Partnerin Elysia einen gewissen Anteil an der vergleichsweise dünnen Bestückung des Hauses mit Trophäen hat.


„Die meisten Pokale sind in der Garage gelandet“, erklärt Dumas, als er zügig in den Hof vorgeht. Wer zumindest in der Garage plakativ beleuchtete Glasvitrinen erwartet hat, wird enttäuscht – Dumas hat seine Pokale auf einer schlichten Werkbank gestapelt. Vom 24-Stunden-Rennen Le Mans, vom 24-Stunden-Rennen Spa-Francorchamps, dazwischen in der Originalschatulle der Pokal vom Weltmotorsportverband FIA für den Gewinn der Langstrecken-Weltmeisterschaft 2016. „Ich hebe sowieso nur die wichtigsten Trophäen auf“, erzählt Dumas, der seine Rennfahrerkarriere vor inzwischen 26 Jahren begonnen hat. „Die meisten habe ich meinen Mechanikern geschenkt.“
Zurück im Haus führt der Rundgang ins Untergeschoss. Hier hat auch Familie Dumas einen mit dicken Stahlwänden und Luftreinigungsanlage versehenen Schutzraum, wie sie in der Schweiz seit den Zeiten des Kalten Krieges vorgeschrieben sind. „Das wird von der Gemeinde kontrolliert. Wer keinen hat, zahlt eine Strafabgabe“, erklärt Dumas. Nicht im Detail vorgeschrieben ist allerdings, wie die Eigentümer ihren Bunker nutzen. „Viele meiner Bekannten haben ihren Weinkeller darin. Ich nutze ihn als Büro.“


Das kleine Schwimmbad eine Tür weiter ist dagegen eher die Domäne von Sohn Gabin. „Schwimmen ist nicht so mein Ding“, sagt Vater Romain, der sich stattdessen in eine Ecke eine kleine Maschine fürs Krafttraining gestellt hat. „Zu viele Muskeln sind für einen Rennfahrer allerdings nicht gut“, schränkt Dumas ein, der mit knapp über 60 Kilogramm eine absolute Jockey-Figur hat. Auf dem Sitz der Kraftmaschine liegt ein mit einer Reihe von Ösen versehener Helm. „Den habe ich selbst konstruiert. Daran hänge ich Gewichte und trainiere meine Halsmuskeln“, erklärt Dumas. „Ist nicht ganz so Hightech wie die Geräte, die viele Formel-1-Fahrer benutzen, funktioniert aber genauso gut. Es ist übrigens der Helm von meinem ersten 24-Stunden-Rennen in Le Mans.“
Hightech-Simulator unter heimischer Treppe
Ziemlich viel Hightech steckt dagegen in dem Rennsimulator, der eingeklemmt unter der Treppe im Flur des Untergeschosses steht. Drei große Monitore sorgen für einen Blick wie aus dem Cockpit eines Rennautos. Der Schalensitz, natürlich versehen mit Sechspunktgurten, wird hydraulisch und passend zum Bild bewegt. Das Lenkrad stammt aus einem Renn-Porsche. Hier verbringt Dumas viel Zeit, um sich auf unbekannte Strecken vorzubereiten. „Damit alles möglichst realitätsnah ist, arbeite ich mit den originalen Fahrzeugdaten“, verrät er. Natürlich ist auf der Computer-Festplatte auch die Strecke des Bergrennens am Pikes Peak gespeichert. „Die kenne ich zwar inzwischen sehr gut. Aber ein bisschen Gedächtnisauffrischung kann nie schaden.“


360 Grad vorbereitet
Wenn er nicht im Simulator virtuell trainiert, betreibt Dumas viel realen Sport. „Das Gute an der Gegend hier ist, dass ich direkt vor der Haustür im Winter Ski laufen und im Sommer Mountainbike fahren oder Joggen kann“, beschreibt der drahtige Profirennfahrer die Vorzüge seiner Wahlheimat.
Sogar ein professionelles Fitnesszentrum ist ganz in der Nähe. „Hier trainiert auch die französische Biathlon-Nationalmannschaft“, erzählt Romain Dumas. Und setzt mit einem verschmitzten Lächeln nach: „Ich versuche aber, möglichst nicht mit denen gemeinsam zu trainieren. Die haben ein Programm, mein lieber Mann! Da würde ich mich am liebsten verstecken.“



