Herr Sengpiehl, wie konnte es zu dem Video kommen?
Zunächst einmal: Ich war genauso schockiert wie alle anderen, als ich das Video ohne den Gesamtkontext sah. Auch ich habe gedacht: So viele Zufälle kann’s doch gar nicht geben. Wie konnten wir das nur übersehen? Vor allem, weil die Basis für das Briefing für die gesamte Golf 8 Kampagne explizit die Darstellung von Vielfalt war – wir zeigen Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Herkunft, mit verschiedenen Lifestyles.
Die Antwort auf die Frage ist: Wir haben Fehler gemacht. Wir haben die rassistischen Elemente dieses Videos nicht erkannt. Für diesen Fehler bitte ich im Namen des Teams um Entschuldigung. Als CMO der Marke Volkswagen PKW übernehme ich natürlich für diesen Fehler die Verantwortung und werde dafür sorgen, dass die beschlossenen Konsequenzen im Tagesgeschäft umgesetzt werden.
Was sagen Sie dazu, dass der Mann weggeschnippst wird?
Ganz konkret: Das besagte Snippet ist Teil einer Reihe von fünf kurzen Videos aus der Golf 8 Kampagne. Alle fünf Clips drehen sich um ein verliebtes Pärchen, die sich gegenseitig Streiche spielen. Sie alle sollen eine kleine Geschichte erzählen.
Der Effekt der großen Hand, die in ein Geschehen eingreift, ist aktuell bei Nutzer*innen von Instagram und Tik Tok sehr beliebt. Im Clip sieht man, wie die gleiche Frau mit ihren Fingern ins Bild greift und ihren Freund letztlich ins Café schnipst.
Aber egal wie beliebt es gerade ist: Niemand aus dem Team hat sich bewusst gemacht, dass das Schnipsen einer Person allein schon unpassend ist – und in dem so dargestellten Kontext rassistisch. Dieser Fehler hätte nicht passieren dürfen. Nicht auf Agenturseite, nicht bei uns. Ohne Wenn und Aber: Dafür müssen wir uns entschuldigen. Und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passieren kann.
Einen rassistischen Hintergrund bei der Produktion schließen Sie aus?
Volkswagen ist ein buntes, vielfältiges Unternehmen, das Menschen so akzeptiert, wie sie sind – unabhängig von Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht, Alter, Religion und sexuelle Orientierung. Allein am Standort Wolfsburg arbeiten Menschen aus 108 verschiedenen Nationen. Selbstverständlich können wir uns aber auch dort noch verbessern. Wir können nach den umfassenden Untersuchungen der Konzernrevision sagen, dass keine rassistischen Intentionen auf unserer Seite oder bei unserer Agentur gefunden wurden. Das macht das Ergebnis aber auch nicht viel besser.
Was ist mit dem Restaurant „Petit colon“?
Der Dreh hat in Argentinien stattgefunden. Das „Petit Colon“ ist ein Café in der Nähe des „Teatro Colón“, dem bekanntesten Theater von Buenos Aires, das nach Christoph Kolumbus benannt ist. Es heißt: Kleiner Kolumbus. Niemand kam darauf, dass die Übersetzung auch „kleiner Kolonist“ heißen kann und in Verbindung mit einem dunkelhäutigen Menschen ungute Verbindungen zu den Gräueltaten der Kolonialzeit hervorrufen können.
Und die Einblendung zum Schluss?
Die für den Schriftzug ausgewählten Buchstaben wurden durch ein Grafikprogramm zufällig gewählt. Wir haben untersucht, ob dieses Programm manipuliert werden kann, haben dafür aber keine Anhaltspunkte gefunden.
In der englischen Ursprungsversion hat das gepasst – bei „The New Golf“ kam der Buchstabe „R“ nicht vor. In der deutschen Fassung wurde die Buchstabenkombination nicht weiter geprüft. Auch hier hätte man genauer hinschauen müssen.
Wie sah der Freigabeprozess aus?
Es gibt einen mehrstufigen Kreations- und Freigabeprozess, sowohl bei den Agenturen als auch bei uns. Den digitalen Content der Golf 8 Kampagne inklusive dieses Videos haben wir erstmals Anfang Februar 2020 gesichtet. Wir im Marketing haben den Content freigegeben.
Die Golf 8 Videos haben bei uns im Team sicherlich 200 Menschen verschiedenster Herkunft gesehen – auch auf Agenturseite – und leider sind trotzdem niemandem die kritischen Inhalte aufgefallen.
Haben sie dafür eine Erklärung?
Es ist nur dadurch zu erklären, dass wir diese Videos immer im Zusammenhang mit weiteren Videos der Golf 8 Kampagne gesichtet haben. Für uns eine zentrale Erkenntnis der Prüfung – wir brauchen Prüfung außerhalb des Kontextes. Jeder einzelne Clip muss auch ohne Gesamtzusammenhang unmissverständlich und unkritisch sein.
Wann und wo war das Video zu sehen?
Das Golf Snippet wurde in dieser Form nur in Deutschland verwendet. Am 24.03.20 lief es für 24 Stunden als Story auf Instagram – für die Volkswagen-Follower sichtbar. An diesem Tag gab es keine uns bekannten negativen Kommentare oder Hinweise.
Ab dem 01.05.2020 lief das Snippet dann im Rahmen der Golf 8 Kampagne – also als Werbung – und wurde auf Instagram und Facebook für deutlich breitere Zielgruppen ausgespielt.
Am 08.05.2020 wurde das Videos außerdem auf dem Twitter Kanal von Jürgen Stackmann ausgespielt. Nach zwei negativen Kommentaren wurde der Twitterbeitrag wieder gelöscht und eine entsprechende Information an die Marketingabteilung geschickt. Doch hier wurde es leider nicht konsequent weiterverfolgt oder eskaliert.
Nach weiteren negativen Reaktionen auf die Kampagne am 19.05.2020 haben wir einen Ausspielungsstopp veranlasst und das Video am nächsten Tag, den 20.05.2020 gelöscht.
Den Rest haben Sie sicherlich mitbekommen: Unsere erste Antwort auf die Kritik war unangebracht und hat selbst für Verletzung gesorgt. Wir sehen hier ganz klar entscheidende Brüche im Prozess – rückblickend betrachtet hätten schon viel früher alle alarmiert sein und klar und eindeutig Stellung beziehen müssen. Aber diesen ganzheitlichen Überblick hatten wir nicht. Da werden wir ansetzen.