Digital, effizient, hochmodern. Seit 2018 baut Volkswagen das Werk Zwickau zum reinen E-Auto-Werk um und macht die Fertigungsstätte zu einem der Zentren der Volkswagen E-Offensive. 1,2 Milliarden Euro fließen in den Standort. Rund zehn Kilometer nördlich des Stadtzentrums werden ab 2022 bis zu 330.000 Elektro-Autos pro Jahr gefertigt. Geplant sind sechs Modelle für drei Marken: Audi, SEAT und Volkswagen.
High-Tech am laufenden Band
Infokasten: Die E-Offensive des Volkswagen Konzerns
Volkswagen treibt die E-Mobilität so konsequent und engagiert voran wie kaum ein anderer Autohersteller. Bis 2025 will der Konzern – je nach Marktentwicklung – bis zu drei Millionen reine Elektro-Autos pro Jahr bauen und verkaufen. Mehr als 70 neue, elektrifizierte Konzernmodelle sollen auf den Markt kommen, darunter 50 reine Elektrofahrzeuge. Dafür investiert der Volkswagen Konzern kräftig in die Mobilität der Zukunft: Bis Ende 2022 sollen mehr als 30 Milliarden Euro fließen. Die Gemeinschaftsunternehmen in China nehmen dafür über die kommenden Jahre noch einmal 15 Milliarden Euro in die Hand.
Voraussetzung ist eine hochmoderne Infrastruktur. Mit dem Umbau zum größten und leistungsfähigsten E-Auto-Werk Europas und dem Modularen-E-Antriebs-Baukasten, kurz MEB, als neuer Basis-Plattform der Elektro-Fahrzeuge, rüstet der Konzern auch die Zwickauer Fertigung um. Die Fabrik wird mit den neuesten Technologien ausgestattet. Das Ziel: produktiver, effektiver und ergonomischer zu arbeiten. Das heißt, in möglichst vielen Bereichen werden automatisierte und autonome Lösungen eingerichtet. Dazu gehören auch die sogenannten „MRK“-Anwendungen. Die drei Buchstaben stehen für „Mensch-Roboter-Kollaborationen“.
Konsequente Fertigung: Automatisierte Prozesse
Insbesondere im Bereich der Montage werden diese Veränderungen sichtbar. Hier wird sich der Automatisierungsgrad in den nächsten Jahren nahezu verdoppeln. Natürlich bedeutet dies eine erhöhte Anzahl von eingesetzten Robotern. Automatisierungen die sich parallel zur laufenden Fertigungslinie vollziehen, werden von der Ausnahme zur Regel: Beispielsweise hält die Karosserie beim Auflegen des Daches nicht mehr an. Stattdessen läuft ein Roboter neben der Linie und legt das Glasdach mit langen Greifarmen automatisch auf.
Infokasten: Mensch-Roboter-Kollaboration
Bei der Mensch-Roboter-Kollaboration, kurz MRK-Anwendung, arbeiten Mensch und Maschine Hand in Hand zusammen. Das bedeutet: Die Maschine ersetzt nicht den Menschen, sondern ergänzt seine Fähigkeiten und nimmt ihm belastende Arbeiten ab. Das können zum Beispiel Über-Kopf-Arbeiten oder das Heben schwerer Lasten sein. Dies geschieht dabei ohne räumliche Trennung, ohne Schutzzaun.
Ähnliches geschieht bei der vollautomatischen Cockpit-Montage. Hier fährt der Roboter in der gleichen Geschwindigkeit entlang der Linie und baut in der gleichen Zeit vollautomatisch das Cockpit ein. Und: Auch am Einbau der Hinter- und Vorderachse haben automatisierte Prozesse einen entscheidenden Anteil: So legt auch hier der Roboter die schweren Bauteile automatisch auf den Fahrwerkrahmen. Verschraubt wird das Ganze mit der sogenannten X-Gun, einer Vorrichtung für Schrauben, die vollautomatisch beladen wird. Hand in Hand arbeiten Mensch und Roboter auch bei der Türdichtung. Der menschliche Mitarbeiter bringt sie manuell auf und ein „MRK“-Roboter befestigt sie dann am Fahrzeug.
Automatisierte Prozesse spielen aber nicht nur bei der Installation eine wichtige Rolle. Auch bei der Feinjustierung des Fahrwerks setzt Volkswagen zukünftig auf Automation. War es früher die Regel, dass die Einstellung des Fahrwerks am Ende der Fertigungslinie erfolgt, wird das Fahrwerk nun automatisch während des Produktionsverlaufs (noch ohne Räder!) justiert. Ähnliches geschieht bei der Einstellung und Positionierung der Scheinwerfer.
Und: Mit den technischen Neuerungen des ID.3, der in Zwickau seit dem 4. November vom Band rollt, hat sich noch eine weitere Automatisierung in der Produktion ergeben: Im ersten, vollelektrischen Modell der Marke Volkswagen ist ein sogenanntes „Augmented-Reality-Headup-Display“ eingebaut. Dieses System projiziert Navigationsdaten in das Sichtfeld des Fahrers, so dass sie tatsächlich wie Fahrbahnmarkierungen wirken. Die vollautomatische Justierung wird von Robotern geleistet.
Infokasten: ID. Familie
Die Modelle der ID. Familie sind speziell auf die Elektromobilität ausgelegt und schöpfen die Möglichkeiten dieser Technologie optimal aus. Sie bieten hohe Reichweiten, viel Platz, dynamisches Fahrverhalten und ein ganz neues Niveau der digitalen Vernetzung. Als erstes Modell läuft Ende 2019 im Werk Zwickau die Produktion des kompakten ID.3((ID.3: Das Fahrzeug wird in Europa noch nicht zum Verkauf angeboten.))) an. Wenig später folgen der ID. BUZZ, die Limousine ID. VIZZION sowie die SUVs ID. CROZZ und ID. ROOMZZ. Volkswagen wird künftig in jedem Segment attraktive Elektroautos anbieten – von der Kompaktklasse bis zum großen Lifestyle-Bulli. So will die Marke bereits im Jahr 2025 weltweit mindestens eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen.
Dank einer Messanlage mit Kameratechnik liefern Roboter auch bei der Qualitätskontrolle von Spalten und Bündigkeit der Türen präzise Parameter. Anhand der Werte wird sofort erkannt, wenn die Tür einen Millimeter zu weit vorne oder hinten montiert wurde. Diese Daten sendet die Messanlage zur Kontrolle an den Karosseriebau. Das Ziel: Die Stellarbeiten zu reduzieren und beste Qualität zu garantieren.
Fertigung mit konsequenter Automatisierung
Bei der Umrüstung seiner Fertigungshallen setzt Volkswagen auch in anderen Bereichen zunehmend auf automatisierte und autonome Lösungen:
Beispiel Presswerk: Hier nahmen früher Mitarbeiter die fertig gepressten Bauteile vom Auslaufband und sortierten sie in Behälter. In Zukunft übernehmen Roboter die auch als „Abstapelung“ bezeichnete Tätigkeit: Mit Hilfe eines Kamerasystems erkennen sie die Teile auf dem Band, nehmen sie auf und packen sie in Behälter.
Beispiel Karosseriebau: Hier steuern Mitarbeiter Roboter mit Gesten. Das bedeutet, der Mensch lenkt mit seinen Handbewegungen den Greifarm des Roboters, an dem der Unterbau einer Karosserie gehalten wird. Mit Hilfe von Kamerasensoren bewegt der Roboter das Fahrzeugteil in die Position, in welcher der Experte das Stück begutachten will. Das ermöglicht eine verbesserte Qualitätskontrolle. Weiterhin verfügt der Bereich über eine vollautomatische werkerarme Seitenteil-Anlage, mit der bis zu vier unterschiedliche Fahrzeugtypen automatisch aufgebaut werden können. Und: Auch die Fahrzeugtüren, die über eine Förderstrecke in den Karosseriebau gelangen, werden hier vollautomatisch eingebaut und ausgerichtet.
Beispiel Lackiererei: Früher prüften Spezialisten die Karosserie nach der Endmontage optisch und kontrollierten die Oberflächen zusätzlich mit flachen Händen und Fingerkuppen. Inzwischen erfolgt diese Oberflächenkontrolle jetzt vollautomatisch. Das bedeutet, dass die fertig lackierte Karosserie von einem Spezialscanner begutachtet wird. Dadurch werden Fehler in der Lackstruktur erkannt, visualisiert und unabhängig vom Faktor Mensch bewertet.
Beispiel Logistik: Die aus Braunschweig per Bahn angelieferten Batterien werden vollautomatisch entladen und gelagert. Ein Elektro-LKW bringt sie schließlich direkt an die Montagehalle. Dabei erfolgt hier nicht nur der Transport mittels Roboter und Greiftechnik automatisiert: Auch Batterien werden schließlich am Verbau-Ort maschinell durch Roboter auf den Fahrzeugrahmen aufgebracht.
Weitere Errungenschaften, die das Werk in Zwickau zu einer High-Tech-Fabrik machen: Das neue, fahrerloses Transportsystem, mit dem Montagelinien verkürzt oder verlängert werden. Damit kann flexibler auf Änderungen in der Produktion reagiert werden. Ein neues 3D-Druck-Zentrum, das Montage-Werkzeuge und Prototypen-Teile herstellt. Und ein Ortungssystem, mit dem der präzise Standort von jedem produzierten Fahrzeug ermittelt werden kann.
Einsatz von künstlicher Intelligenz geplant
Nach dem Umbau ist vor dem Umbau: Auch für die Zukunft hat sich Volkswagen am Standort bei seinen Umrüstungs- und Modernisierungsmaßnahmen viel vorgenommen. Zukünftig sollen Steck- und Schraubverbindungen über ein Kamerasystem und mithilfe von Künstlicher Intelligenz kontrolliert werden. Zudem übernehmen Roboter künftig auch die Verschraubung der Unterboden-Verkleidungen.
Schon heute ist Zwickau das modernste E-Auto-Werk Europas. Diesen Titel wollen die Sachsen so schnell nicht abgeben.