„Du brauchst ein Fahrzeug, was zu dir passt. Mit Stil und Charakter. Verstehst du?“ Das berühmte Filmzitat von Leinwandfigur Kalle Grabowski traf mitten ins Herz der „Cremisten“. Die „creme21“ – die Rallye für Youngtimer und deren Fans mit hoher Spaßaffinität – machte auch im Essener Autokino Station, und so erlebten hunderte Teilnehmer den Pott-Kultstreifen „Bang Boom Bang“ als gemeinsames Happening unter freiem Himmel.
Happening in Orange
Diese Veranstaltung ist mittlerweile legendär: die creme21 youngtimer rallye. Volkswagen Classic bereicherte die 17. Auflage des Kult-Events mit drei coolen Klassikern.
Tief im Westen
Auftakt der diesjährigen creme21 youngtimer rallye war, passend zum Ende der Steinkohleförderung in Deutschland, die Essener Zeche Zollverein im Ruhrgebiet: Auf dem Vorplatz des UNESCO-Welterbe-Geländes fanden sich die Teams am Nachmittag des 12. September 2018 ein. Vor dem Start herrschte kollektive Vorfreude: „Es ist der Mix von Automodellen, die uns als Kind schon auf der Rückbank sitzend fasziniert haben und die nun wieder an einem Ort versammelt sind“, fasst creme21-Teilnehmer Christian Tipke zusammen. Tatsächlich hatte sich ein buntes Feld der jüngeren Automobilgeschichte versammelt: Über 200 Klassiker großer und kleiner Marken, darunter auch zahlreiche luft- und wassergekühlte Modelle aus dem Volkswagen Konzern, bereicherten das Feld.
Vom Ovali-Käfer mit nachgerüstetem Porsche-Motor, dem Passat-Vorläufer 1600 L, über zahlreiche Golf GTI und Cabriolet-Versionen bis zum bulligen SUV-Vorläufer Golf Country fand sich vor Ort eine erstaunliche Wolfsburger Vielfalt ein. Volkswagen Classic bereicherte die Rallye auch in diesem Jahr wieder mit handverlesenen Highlights aus seiner Sammlung. Zum einen mit dem kernigen Geländegänger Race Iltis von 1979 – als Hommage an den Erfolg von Freddy Kottulinsky und Gerhard Löffelmann, die 1980 mit dem Allrad-Neuling die Rallye Oasis (später Rallye Dakar) gewannen.
Zum anderen mit einem Unikat von 1989, befeuert von einem potenten 154 kW (210 PS) starken Motor mit G-Lader: dem sportlichen Corrado G60 16V, dessen Modellreihe in diesem Jahr bereits erstmals ein H-Kennzeichen bekommt. Als Dritter im Bunde startete der kultige Scirocco I als extrem seltenes 1981er-SL-Sondermodell aus der Automobilsammlung Volkswagen Osnabrück. Alle drei Fahrzeuge wurden von creme21-Teilnehmern und Zuschauern begeistert aufgenommen und setzten im kunterbunten Mix des Starterfelds besondere Akzente.
Der in jedem Jahr neu ausgearbeitete „Kilometermarathon“ führte 2018 über verwunschene Nebenstraßen zweiter und dritter Ordnung tief in den Westen Deutschlands. Vom Zollverein schlängelte sich die Route durch das Ruhrgebiet, in das Münsterland und schließlich hinauf in die Eifel. Für ein besonderes Plus an Dynamik hinter dem Lenkrad sorgten abwechslungsreiche Fahraufgaben im Aldenhoven Testing Center und, zum Ausklang, drei Schleifen auf dem Rundkurs des Goodyear-Versuchsgeländes im benachbarten Luxemburg. Besondere Freude hatten hier insbesondere Teams mit fahrdynamischen Kompaktsportlern: Die GTI-Fahrer Wolfgang und Ramon Tomschi waren wie schon in den Vorjahren mit ihrem schwarzen Golf 1 GTI dabei: „Die Strecke war auch in diesem Jahr fantastisch und wie gemacht für unseren sportlichen Youngtimer!“
Stilechte Kleidung gehört zum Geist der creme21 natürlich dazu. Auch in diesem Jahr putzten sich daher viele der Teilnehmer ordentlich heraus: Schlaghosen, Langhaarperücken, Schulterpolstersakkos, große Sonnenbrillen und diverse Accessoires in Orange. Mit einem 29-seitigen Roadbook gewappnet, ging die farbenfrohe Schar in sehenswerten Youngtimern der 70er-, 80er- und 90er-Jahre auf gemeinsame creme21-Zeitreise.
Raus aus dem Niemandsland
Die Rallye des Youngtimer Club e.V. zelebriert im positiven Sinne automobilen Ausnahmezustand und ist längst auch unseren europäischen Nachbarn ein Begriff.
Dabei war es 2002 nur eine Handvoll Oldenburger Autofreaks, deren fahrbare Untersätze im Niemandsland zwischen Gebrauchtwagen und Liebhaberstück angesiedelt waren: Die creme21 wurde von ihnen einst als Rallye für ältere Fahrzeuge ohne Lobby ins Leben gerufen. Als Hommage an das Lebensgefühl der Siebziger und Achtziger diente die gleichnamige Pflegeserie Creme 21 als Namensgeber und Farbmarke.
Heute ist das Interesse an der „cremigen“ Veranstaltung so groß, dass sich Teilnehmer vorab kreativ um einen Startplatz bewerben müssen. Um mit Spaß und Erfolg dabei zu sein, ist kein Tuning und auch kein schwerer Gasfuß notwendig. Viel eher fallen die zahlreichen, exklusiv für die „Creme“ gebastelten Applikationen ins Auge – von floralen Stillleben über Siebziger-Vollverkleidung bis zur Sammlung zeitgenössischer Gimmicks.
Auch im 17. Jahr der Rallye steht der Fahrspaß im Vordergrund, und an Bord wird noch immer kein Tripmaster benötigt: Auf die Gesamtdistanz betrachtet, entscheiden weder die letzte Zehntelsekunde noch prestigeträchtige Pferdestärken. Dabei sein zu dürfen ist eigentlich schon alles. Für einen messbaren Rallye-Erfolg sind Geschicklichkeit sowie die Lust, sein Können und Wissen bei den zumeist sehr kreativen Überraschungsaufgaben zu testen, entscheidend: Spiellaune und Um-die-Ecke-Denken statt Stoppuhren-Stress und verschachtelte Prüfungen.
Gemeinsam unterwegs
Die markenoffene Rallye hat mittlerweile in der Old- und Youngtimerszene einen herausragenden Ruf erlangt. Zu Recht: Das Veranstalterteam hatte sich auch 2018 wieder ein buntes Potpourri teils skurriler, durchaus kniffliger und garantiert unterhaltsamer Aufgaben einfallen lassen, die als Wertungsprüfungen am Wegesrand nicht nur Autofans begeistern.
Außer dem legendären Kofferrätsel, bei dem sich die Teams binnen einer Minute einen Kofferinhalt merken und später unerwartete Fragen beantworten müssen, waren in diesem Jahr unter anderem auch besondere Sesamstraßen- und Blues-Brothers-Kenntnisse, eine korrekte Zuordnung von Autoteilen sowie profundes Modellwissen zu exotischen Youngtimertypen gefragt.
Von Wanderzirkus und Wiederholungstätern
Die Vielzahl von „Creme“-Dauerteilnehmern im Starterfeld ist kein Wunder: Der charmante Mix aus Fahrspaß, ausgefallenen Aufgaben und einer Flut sehenswerter Exoten und Alltagsklassiker der 70er- und 80er-Jahre in Fahrt ist deutschlandweit absolut einzigartig und machte den automobilen Wanderzirkus erneut zu einem Leckerbissen im spätsommerlichen Veranstaltungskalender. Kein Wunder also, dass entlang der Strecke immer wieder Fans am Straßenrand den farbenfrohen Tross bejubelten.
Begeisterte Cremisten
So unterschiedlich die Fahrzeuge und ihre Besitzer auch waren, neben der Freude am Auto, Fahrkultur und Retro-Style stand auch in diesem Jahr der gemeinsame Spaß klar im Mittelpunkt. Am Ende spielte es überhaupt keine Rolle, ob nun eine luxuriöse Limousine, ein schneller Sportflitzer oder ein kultiger Kleinwagen das Fahrzeug der Wahl war. Die Begeisterung der Cremisten war wieder geradezu überschwänglich.
Die 2018er-Ausgabe gewannen übrigens Matthias und Susanne Zech aus Mönchengladbach, den begehrten 21. Platz sicherten sich Joachim und Roswitha Baier aus Hanau. Das Team von Volkswagen Classic konnte am Samstag einen Tagessieg und einen zweiten Platz erringen und freut sich schon jetzt auf die Ausgabe im kommenden Jahr. Dann steht zudem ein ganz besonderes Jubiläum in Orange an: 2019 wird die Creme volljährig – aber bestimmt auch dann keine „normale“ Rallye.