Romain Dumas über seine Testfahrten mit dem ID. R Pikes Peak
„Hammer“ und „Rakete“
Sogar für Vollprofis wie dem zweimaligen Le-Mans-Sieger Romain Dumas ist der erste Kontakt mit einem neuen Rennwagen immer etwas ganz Besonderes. Erst Recht dann, wenn in der Boxengasse der ID. R Pikes Peak wartet, das erste rein elektrisch angetriebene Rennfahrzeug von Volkswagen.
Romain Dumas erlebte die Weltpremiere des ID. R Pikes Peak am 22. April aus rund 700 Kilometern Entfernung: Während im südfranzösischen Alès vor Journalisten das Tuch vom Fahrzeug gezogen wurde, das beim „Pikes Peak International Hill Climb“ am 24. Juni 2018 einen neuen Streckenrekord für Elektrofahrzeuge aufstellen soll, saß der Pilot, an der Rennstrecke Autodromo Monza in Italien. „Ich fuhr ein Langstreckenrennen und hatte gerade eine Pause. Auf meinem Handy habe ich mir den Internet-Stream von der Präsentation angeschaut“, erinnert sich Dumas an jenen Sonntagnachmittag. „Am liebsten wäre ich in den Bildschirm hineingekrochen, um live dabei zu sein.“
Doch Dumas, hauptberuflich Werksfahrer bei Porsche, musste noch ein paar Stunden warten, bis er den Wagen zum ersten Mal anfassen konnte. Direkt nach dem Ende des Rennens in Monza brach er in Richtung seiner Heimatstadt Alès auf und fuhr direkt zur Rennstrecke – mitten in der Nacht. „Ich konnte nicht bis zum Morgen warten, ich musste das Auto einfach sofort sehen. Ich habe mich gefühlt wie ein kleiner Junge an Weihnachten“, beschreibt der zweimalige Gewinner des 24-Stunden-Rennens von Le Mans den Moment, als er dem Elektro-Renner endlich gegenüberstand.
Erster Rollout auf einer Rennstrecke in Südfrankreich
„Ich hatte bis dahin nur Fotos gesehen, die mir die Ingenieure geschickt hatten. Die waren schon beeindruckend. Aber in natura ist das Auto der Hammer.“ Mit glänzenden Augen schlich Dumas minutenlang um den 560 kW/680 PS starken Prototyp, mit dem er in Colorado auf Rekordjagd gehen wird. „Der ID. R Pikes Peak ist ein noch extremeres Rennauto als die LMP1-Boliden von Porsche, mit denen ich in Le Mans gefahren bin.“
„Ich dachte, ich sitze in einer Rakete“
Am folgenden Tag drehte Dumas die ersten Runden auf der Rennstrecke. Und kam noch immer aus dem Strahlen nicht heraus. „Die Beschleunigung ist umwerfend“, sprudelte es beim ersten Boxenstopp aus dem Franzosen heraus. „Als ich das Gaspedal das erste Mal ganz durchgetreten habe, dachte ich, ich sitze in einer Rakete.“ Kein Wunder, der ID. R Pikes Peak erreicht Tempo 100 nach nur 2,25 Sekunden – schneller als ein aktuelles Formel-1-Auto. „Ungewohnt ist das fehlende Motorgeräusch. Außerdem brauche ich nicht zu schalten, der Elektroantrieb funktioniert ohne Getriebe. Aber ansonsten fährt sich der ID. R Pikes Peak ähnlich wie ein Le-Mans-Prototyp“, ergänzt Dumas.
Bei einigen Runden mit gemäßigtem Tempo, dem sogenannten Rollout, unterzog der Franzose den brandneuen Renner einer Vielzahl von Systemchecks. Direkt anschließend begann die konzentrierte Testarbeit. Dumas’ eigenes Rennteam hat seine Basis auf dem Gelände des „Pôle Mécanique Alès-Cévennes“, wie die Piste offiziell heißt. Schon mit seinen früheren Boliden für das „Pikes Peak International Hill Climb“, das Dumas dreimal gewonnen hat, drehte der Rennprofi hier zahllose Runden. „So hatten wir eine Menge Daten, mit denen wir den ID. R Pikes Peak vergleichen konnten“, verrät Dumas.
Dabei stellte der Testpilot schnell fest: „Chassis und Fahrwerk funktionieren schon sehr gut, die Elektromotoren haben viel Leistung. Außerdem generieren die großen Flügel mehr Abtrieb als in jedem anderen Rennwagen, den ich bisher gefahren bin.“ Die Fahrversuche konzentrierten sich deshalb vor allem auf das Management der Batterieladung. „Es geht darum, die optimale Methode zu erarbeiten, die vorhandene Ladung einzusetzen und auch die Rekuperation möglichst gut zu nutzen.“ Immerhin soll der ID. R Pikes Peak auf der 20 Kilometer langen Rennstrecke rund 20 Prozent der benötigten Energie beim Bremsen selbst erzeugen.
Schluss-Spurt in der Vorbereitung beginnt Ende Mai
Eine weitere Station in der Reihe der Testfahrten war ein Entwicklungszentrum von Reifenpartner Michelin. Die französischen Spezialisten konstruierten einen völlig neuen Reifen für den ID. R Pikes Peak. „Dieses Bergrennen ist auch für die Reifen eine besondere Herausforderung. Die Lauffläche muss nur etwa 20 Kilometer überstehen, außerdem über einen weiten Temperaturbereich optimal funktionieren. Am Start ist es manchmal 20 Grad warm, auf dem Gipfel aber null Grad kalt. Das gibt es sonst nirgendwo“, so Dumas.
Nach Abschluss der Testserie in Europa reist der ID. R Pikes Peak per Flugzeug in die USA. Dort ist Ende Mai der erste Probelauf auf der Originalrennstrecke am Pikes Peak geplant. Dann beginnt für Dumas und das gesamte Team von Volkswagen Motorsport die heiße Phase in der Vorbereitung auf das „Pikes Peak International Hill Climb 2018“. Das Rennen gilt als das berühmteste Bergrennen der Welt.
Ziel ist der Rekord in der Klasse für Elektrofahrzeuge. Der steht für die 19,99 Kilometer lange Strecke seit 2016 bei 8:57,118 Minuten. „Ob wir den Rekord unterbieten können, hängt auch vom Wetter ab“, weiß Pilot Romain Dumas. Manchmal schneit es selbst im Juni auf dem 4.302 Meter hohen Gipfel, wo die Ziellinie verläuft. Veteranen des Bergrennens am Pikes Peak wissen: Du kannst den Berg nicht bezwingen. Der Berg lässt zu, dass du ihn bezwingst.