Heute sind die Scheinwerfer dran. Fábio Lopes und Marvin Wiethölter wissen genau, was sie zu tun haben. Die beiden jungen Männer greifen sich Werkzeug und Ersatzteile aus einem Regal und schrauben sie an. Danach kümmern sie sich um die Stoßstange und montieren sie. Auch die Vorderhaube setzen sie ein. Keine ungewöhnlichen Arbeiten für zwei angehende Kraftfahrzeugmechatroniker. Ungewöhnlich ist aber das Auto, an dem die beiden Auszubildenden an diesem Vormittag im Werk Osnabrück arbeiten: Es ist ein Typ 3, VW 1600 TL, Baujahr 1968. In Diamantblau.
Die zwei mit dem Typ drei
Für die Oldtimer-Messe Techno-Classica 2019 restaurieren zwei Auszubildende von Volkswagen Osnabrück einen automobilen Klassiker, Baujahr 1968. Sie lernen daran die Grundlagen des Automobilbaus – bevor sie künftig die Elektroautos der Zukunft bauen.
Noch ist das Auto auf einer Hebebühne aufgebockt, aber Marvin Wiethölter und Fábio Lopes haben sich einiges vorgenommen: Das Fahrzeug aus der Sammlung von Volkswagen Classic wird von den beiden Auszubildenden in Osnabrück von Grund auf restauriert. „Wir haben die Karosserie bekommen, neu lackiert und mit neuem Unterboden drin, aber sonst ohne alles. Und dann haben wir uns da nach und nach da reingearbeitet“, sagt der 20 Jahre alte Fábio Lopes.
Fahrzeugsteckbrief
VW 1600 TL von 1968
Motor: 4-Zyl. Boxer mit 1.584 ccm (original)*
Leistung: 40 kW/54 PS (original)* bei 880 kg (Leergewicht, original)*
Radstand: 2.400 mm; Höchstgeschwindigkeit: 135 km/h (original)*
Farbe: diamantblau (Farbcode: L50B)
* Aktuelle Werte nach der Umrüstung auf einen leistungsstärkeren Typ 4-Motor (aus einem VW 412 S mit 1.957 ccm Hubraum) werden nach der Komplettierung bei der Techno Classic auf einem Prüfstand ermittelt.
Wenn am 10. April in Essen die Techno-Classica 2019 beginnt, die internationale Leitmesse für Sammler und Fans aus der Oldtimer-Szene, sind Lopes und Wiethölter dabei. Auf dem Stand von Volkswagen Classic werden sie die letzten Arbeiten durchführen und ihren Typ 3 wieder vollständig zum Leben erwecken. Der 18 Jahre alte Marvin Wiethölter hat keinen Zweifel daran, dass ihnen das gelingt. Er hat mit dem restaurierten Typ 3 schon erste kurze Testfahrten auf dem Werksgelände absolviert. „Er fährt. Und er läuft auch wunderbar“, sagt Wiethölter und grinst.
Betreut werden die beiden Auszubildenden bei ihrem Projekt von Marcel Leifer (28), Ausbildungsbeauftragter der Sammlung, und seinem Kollegen Klaus-Dieter Ulrich. Ulrich ist 63 Jahre alt, Koordinator der Sammlung und seit 1973 in dem ehemaligen Karmann-Werk beschäftigt. Seit 2009 gehört die Produktionsstätte zu Volkswagen. Bei ihrer Tätigkeit geht es Leifer und Ulrich um weit mehr als um die Pflege automobiler Nostalgie. Die Sammlung mit rund 140 historischen Fahrzeugen ist auch eine Station im Durchlaufplan der Auszubildenden. Nachwuchskräfte lernen hier Grundlagen des Automobilbaus kennen – bevor sie dann die Autos der Zukunft bauen.
Fábio Lopes und Marvin Wiethölter sind beide Kraftfahrzeugmechatroniker für System- und Hochvolttechnik. Bereits in ihrer Ausbildung werden sie speziell auf das Arbeiten an Elektroautos geschult und erhalten so wichtige Zukunftsqualifikationen. „Wenn wir dann E-Autos bekommen, können wir direkt eingesetzt werden“, sagt Marvin Wiethölter.
Schrauben vom Vater gelernt
Dass er und Lopes nun in der Ausbildung ausgerechnet an einem mehr als 50 Jahre alten Typ 3 arbeiten, erklärt Marcel Leifer so:
„Die KFZ-Mechatroniker lernen hier erstmal alle Grundkenntnisse, wie ein Auto überhaupt aufgebaut ist. Das ist hier alles ein bisschen einfacher. Wenn sie dann später in den Durchlauf, in die Produktion kommen, ist natürlich alles komplexer und moderner.“ Nicht jeder Auszubildende aus der mit Smartphones aufgewachsenen Generation könne damit auf Anhieb etwas anfangen, sagt Leifer. „Aber wir haben auch ganz oft Azubis dabei, die gar nicht mehr aus der Abteilung raus wollen.“
„Ich bin damit aufgewachsen, an Autos zu schrauben, durch meinen Vater“, sagt Marvin Wiethölter, der aus Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen stammt. „Hier haben wir es noch mit richtiger Mechanik zu tun, das ist toll“, sagt auch Fábio Lopes, der aus Hasbergen im Landkreis Osnabrück kommt. Die Väter von beiden sind ebenfalls bei Volkswagen beschäftigt. Die Begeisterung für das Projekt zur Techno-Classica ist bei beiden offensichtlich auch familiär angelegt.
Bei der Restaurierung erlebten die angehenden Kraftfahrzeugmechatroniker, dass sie an manchen Punkten auch improvisieren müssen. „Viele Teile kann man noch im Internet bestellen. Aber manche gibt es einfach nicht mehr, die haben wir mühevoll aufgearbeitet, von der Dichtung bis zur Schraube“, erzählt Marvin Wiethölter. „Als wir den Motor eingebaut haben, mussten wir ganz neue Halterungen bauen“, erinnert sich Lopes.
Wie das geht, haben sie nun gelernt. Und wie gut am Ende alles zusammengefunden hat, werden sie in Essen vorführen und ein faszinierendes Stück Autogeschichte präsentieren, ihren Typ 3. „Wir haben uns beim Motor ein bisschen was einfallen lassen“, sagt Dieter Landenberger, Leiter von Volkswagen Heritage. „Es ist kein Originaltriebwerk an Bord, sondern ein leicht modifizierter Typ 4-Motor. Wir erwarten da so rund 110 PS und ich bin sicher, dieses Fahrzeug wird unseren Gästen bei Oldtimerrallyes viel Fahrspaß liefern.“
„Infobox Techno-Classica“: Leitmesse der Klassik-Szene
Bedeutung
Auserlesene Exponate, die zum großen Teil ausschließlich hier zu sehen sind, spektakuläre Auftritte und stets das Neueste aus der Szene: Diese Faktoren machen die Techno-Classica in Essen zur internationalen Leitmesse der Klassik-Szene. Wenn am 10. April die 31. Auflage der Messe startet (bis 14. April 2019), werden wieder Fans von Young- und Oldtimern aus der ganzen Welt anreisen. 2018 waren es mehr als 180.000 Besucher aus über 40 Nationen.
Volkswagen bei der Techno-Classica 2019
Unter dem Motto „Die Welt der Volkswagen Klassiker“ präsentieren sich Volkswagen Classic, Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer und Volkswagen Classic Parts. Der Messestand ist in drei Sonderflächen unterteilt: Im Bereich „Rekorde“ werden ein Nardo W12, ein Shell Marathon Volkswagen, ein Corrado G60, ein Lupo 3L, der Käfer „Weltmeister“ und der Golf „Alaska-Feuerland“ gezeigt. Im Bereich „70 Jahre Käfer Cabriolet/ 70 Jahre Hebmüller“ sind ein Karmann Käfer 1100 Cabriolet, Baujahr 1949, und ein Hebmüller Cabriolet, Baujahr 1950, zu sehen. Auf der dritten Sonderfläche restaurieren Auszubildende von Volkswagen Osnabrück live einen Volkswagen Typ 3, einen Volkswagen 1600 TL, die erste Fließhecklimousine von Volkswagen, Baujahr 1968.
Weitere Highlights
Auf eine Sonderschau der Weltklasse können sich die Besucher 2019 unter dem Slogan „Tour de France Automobile Legends“ freuen. Um den „Palais de l’Automobile“ im Zentrum der Messe werden einige der legendärsten Teilnehmer des Straßenrennens präsentiert, das von 1899 bis 1986 durchgeführt und 1992 als Rennveranstaltung für historische Fahrzeuge wiederbelebt wurde. Ausgestellt werden zum Beispiel ein Ferrari 250 Tour de France, ein Porsche 356 A, 1500 GS Carrera, ein Deutsch-Bonnet HBR 5, ein Jaguar MK II in Rennversion und ein Ferrari 250 GT Berlinetta (SWB). Diese Klassiker erzielen in Sammlerkreisen zum Teil zweistellige Millionenbeträge.
Präsentation
Das Programm ist in diesem Jahr so umfangreich wie noch nie: Erstmals belegt die Techno-Classica zwölf Hallen am Essener Grugapark. Die Präsentation wurde deutlich überarbeitet und verspricht mehr Struktur und Übersichtlichkeit. Über 20 Automobilmarken sind mit eigenen Ständen vor Ort. Rund 2.700 Sammler-Automobile werden von meist renommierten Profis zum Verkauf angeboten. Vom edlen Rolls-Royce über Vorkriegsraritäten wie Isotta-Fraschini bis zu Sportwagen von Lamborghini, Ferrari, Porsche oder Maserati wird alles zu sehen sein, was Sammler begeistert. Die Veranstalter haben darauf geachtet, vor allem die attraktivsten Young Classics zum Verkauf zuzulassen. Mehr als 30 Prozent der zum Kauf angebotenen Fahrzeuge sind erschwingliche „Plug-and-play“-Youngtimer.