Volkswagen restauriert den legendären Bi-Motor-Golf von 1987
Die Doppelherz-Legende vom Pikes Peak
1987 startete Volkswagen mit einem doppelt motorisierten Golf II beim härtesten Bergrennen der Welt am Pikes Peak. Das „Race to the Clouds“ erforderte besonderen Mut, den sowohl der Fahrer Jochi Kleint als auch die Konstrukteurs-Legende Kurt Bergmann mit dem Bi-Motor-Golf II eindrucksvoll bewiesen. Nun, nach über 30 Jahren, präsentiert Volkswagen pünktlich zum erneuten Angriff am Pikes Peak das technisch frisch restaurierte Stück Motorsport-Geschichte von 1987.


Mit einem metallischen Geräusch entriegelt sich die Tür des mittlerweile 31 Jahre alten Bi-Motor-Golf II. Der Geruch, der jedem sofort in die Nase steigt, erinnert an Modellbaukleber und an die eigenen jungen Jahre, in denen Modellflugzeuge zusammengeklebt wurden. Beim Anblick der Sitzschale und der zahllosen Schalter und Anzeigen wird schnell klar: Dies ist eine völlig andere Welt. Kein Modellspielzeug, vielmehr ein Werkzeug, gebaut für einen einzigen Zweck: die Ziellinie auf dem Gipfel des legendären Pikes Peak als Schnellster zu überqueren.
Unweigerlich ziehen Bilder von 1987 am inneren Auge vorbei, mischen sich mit dem unverkennbaren Brüllen der beiden bis ans Limit aufgeladenen Vier-Zylinder-Motoren und dem typischen Zischen der Turbolader. Die Träumerei erzeugt Gänsehaut: einmal den Platz in der Fahrerkabine einnehmen – dort, wo Jochi Kleint 1987 saß – und den Golf über eine Schotterpiste jagen. Die Stimme des Chef-Mechanikers Jörg Rauchmaul holt einen zurück in die Realität.
Was für ein „Monster“
Rauchmaul koordiniert die Restauration des Einzelstücks im Auftrag von Volkswagen. Die Wiederherstellung des Golf führte ihn zunächst zum Konstrukteur, der Ingenieurs-Legende Kurt Bergmann. „Von allen Fahrzeugen, die Bergmann entwickelt hat, war der Pikes-Peak-Golf II von 1987 sicher die radikalste Ausbaustufe. Es ist ein Wunder, was für ein Monster Bergmann und sein Team in nur sechs Monaten Entwicklungszeit erschaffen haben“, sagt er sichtlich beeindruckt.


Im Rennbetrieb entwickelten die beiden 1,8-Liter-Motoren aus dem Golf II GTI 16 V dank 1,6 Bar Ladedruck aus jeweils einem KKK-Turbolader eine Gesamtleistung von maximal 480 kW (652 PS) – bei einem Kampfgewicht von nur 1.020 Kilogramm. Da beide Motoren über ein eigenes Hewland-Renngetriebe verfügten, konnte der Golf wahlweise mit Allrad- oder nur mit Front- oder Heckantrieb bewegt werden. „Diesem Einzelstück mit historisch nicht ersetzbarem Wert wieder auf die Räder zu helfen, ist schon eine besondere Ehre“, sagt Rauchmaul stolz. Welch enormes Potenzial in dem zweifach motorisierten Golf II steckte, demonstrierte Jochi Kleint am Pikes Peak eindrucksvoll, als er mit nur einem Motor die viertbeste Trainingszeit fuhr.
Ein fragiles Meisterwerk
Kleint und sein Bi-Motor-Golf lagen im Rennen bis kurz vor dem Ziel vielversprechend im Bereich der Bestzeit. Der Schock für das Volkswagen Team kam dann nur wenige Kurven vor der Ziellinie, als Jochi Kleint den mittlerweile unbeherrschbaren Wagen abstellen musste. Schuld war die winzige Bohrung des Schmiernippels im Achsgelenk, von der ein Riss ausging und zum Bruch des Gelenks führte.
Mit großem Respekt geht Rauchmauls Mannschaft die Restauration des Bi-Motor-Golf an, mit der Prämisse: „Das Fahrzeug soll so wenig wie möglich von seinem Originalzustand einbüßen – schließlich handelt es sich um ein geschichtsträchtiges Einzelstück. Wir arbeiten nur die Technik auf und machen den Wagen wieder fahrbereit“, erklärt Jörg Rauchmaul.


Der Umbau birgt einige Eigenheiten
Jörg Rauchmaul erkannte noch vor Beginn der Restauration, dass er Detailinformationen nur beim Konstrukteur bekommen konnte: „Auch wenn der Golf II für den Pikes Peak seriennah aufgebaut war, bekamen wir wichtige Infos und Daten zur Technik nur direkt bei Kurt Bergmann in Wien“, sagt Rauchmaul. Die extrem hohe thermische Belastung im Rennbetrieb hat der Technik des 30 Jahre alten Golf zugesetzt. Rauchmaul deutet auf das Heck und sagt: „Das musste alles raus, und weil einige Gummiteile Maßanfertigungen waren, hatten wir mit extremen Lieferzeiten zu kämpfen.“ Aber auch nicht sofort sichtbare Fallen hatte der Doppelherz-Golf parat: Die sicherheitsrelevante Schaumstoff-Verkleidung im Tank hatte sich aufgelöst und wäre bei einem Startversuch in die Kraftstoffversorgung gelangt. „Das wäre der sichere Tod der speziell angepassten Digifant-Einspritzanlage gewesen“, merkt der Chef-Mechaniker an und fügt hinzu: „Die Technik ist zwar weitgehend aus dem Serien-Golf bekannt, man muss sich aber auch erst wieder reindenken. Das erfordert nicht nur absolute Konzentration, sondern auch eine gesunde Portion Leidenschaft und Erfahrung.“
Der gezähmte Golf im Schafspelz
Viel Fingerspitzengefühl erfordern die finalen Arbeiten an den beiden Motoren. „Sie müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass sie möglichst synchron für Vortrieb sorgen, sonst wird der Wagen auf Asphalt unbeherrschbar und instabil“, sagt Rauchmaul. Er peilte für die Fertigstellung eine Abstimmung auf jeweils 177 bis 191 kW (240 bis 260 PS) pro Motor an – und weist überzeugt darauf hin: „Der Golf soll zuverlässig und schnell laufen, gleichzeitig aber haltbar sein. Daher bringen wir die Motoren nicht ans Leistungslimit, alles andere wäre ein Frevel.“ Dennoch müssen auch die für Extremsituationen vorgesehene „Kühler-Berieselungsanlage“ und die beiden Temperatur-gesteuerten Lüfter an den verhältnismäßig kleinen Wasserkühlern im Heck einwandfrei funktionieren.


Die raffinierte Motorkühlung wird nämlich auch bei den geplanten Fahrten mit „nur“ rund 368 kW (500 PS) Gesamtleistung dringend nötig sein. Im Rennbetrieb war mit über 60 Grad Celsius nicht nur in der Fahrerkabine die Hölle los. Auch im hinteren Maschinenraum herrschte wegen der aerodynamisch nicht optimierten braven Golf Karosserie kritisches Klima. Konstrukteur Bergmann bekam die extremen Temperaturen mit einem genial simplen Trick in den Griff: Sobald die kritische Temperatur erreicht war, sprühte die Kühler-Berieselungsanlage aus zwei kleinen Düsen Wasser auf die kleinen Kühler. „Das ist wieder so ein Beispiel für den genialen Pragmatismus von Kurt Bergmann“, lächelt Jörg Rauchmaul sichtlich beeindruckt.








