30 Nationen, alle Altersgruppen, viele Kulturen sind im Volkswagen Design Team vertreten. „Mobilität ist heute extrem vielfältig. Und so sind auch die Teams im Design sehr vielschichtig und zunehmend multidisziplinär“, erklärt der Leiter des Volkswagen Konzern Designs, Klaus Zyciora. Der Golf liegt dem erfahrenen Designer erklärtermaßen am Herzen. „Wenn’s nicht emotional wäre, könnten wir’s nicht machen!“ Und wenn dann im Morgengrauen so ein neuer Golf GTE fast lautlos am Tiefen See vor dem Volkswagen Group Future Center Europe in Potsdam vorbeifährt, dann leuchten Klaus Zycioras Augen: „Man hat es im Kopf, wie es sein könnte, man plant, man arbeitet im Team über knapp vier Jahre daran – und dann steht es da. Ein gutes Gefühl!“
„Design ist Teamsport“
Am Design eines neuen Modells arbeitet bei Volkswagen immer ein großes Team. So auch beim neuen Golf: Designer aus den unterschiedlichsten Disziplinen haben ihn mitgestaltet und ihre ganz individuellen Fähigkeiten, Erfahrungen, Leidenschaften in das Golf Design einfließen lassen. Wir haben jeweils zwei von ihnen einen Tag lang durch ihre persönlichen Lebenswelten begleitet: Was bewegt sie, was inspiriert sie, was treibt sie an? „People shaping the Golf“, Teil 1: Die Volkswagen Designer Ingo Brückmann und Mathias Kuhn treffen Klaus Zyciora, Leiter Volkswagen Konzern Design, im Volkswagen Group Future Center in Potsdam und touren anschließend durch ihre Heimatstadt: Berlin.
Video: People shaping the Volkswagen Golf
Zwei seiner Designer sind heute Morgen zu einem Treffen mit Klaus Zyciora nach Potsdam gekommen, beide haben den Golf maßgeblich mitgestaltet, gemeinsam mit ihren Teams, über viele Monate hinweg: Mathias Kuhn, der bei Volkswagen das User Interface Design leitet, den Bereich, in dem sich alles um die Schnittstelle Mensch dreht und in dem die Benutzeroberflächen im Fahrzeug gestaltet werden. Und Ingo Brückmann, Interieur Designer und seit 2005 bei Volkswagen. Im Entwurfsdesign begleitet er die Fahrzeuge von der ersten Skizze bis zur Übergabe in die Serienfertigung.
Diversität und Teamgeist sind für beide ganz wichtige Faktoren für gutes Automobildesign. „Viele Ideen von unterschiedlichsten Typen – wenn die zusammenkommen, wird was Großes draus!“, beschreibt Mathias den Entstehungsprozess eines Volkswagen Modells.
All die verschiedenen kreativen Kräfte zu bündeln, das ist die Herausforderung, der sich Klaus Zyciora mit jedem Projekt neu stellt. Und die ihm jedes Mal aufs Neue riesigen Spaß macht. Seit über 30 Jahren bei Volkswagen, hat er die aktuelle Volkswagen Designsprache maßgeblich geprägt, zum dritten Mal verantwortet er das komplette Golf Design. „Designer sind Individualisten: All die starken Persönlichkeiten und Ideen zu kombinieren, damit ein holistisches Produkt entsteht, ist eine große Aufgabe – und eine schöne.“
Der Funke im Kopf. Kreativität braucht Raum und Zeit. „Inspiration geschieht durch äußere Einflüsse“, sinniert Ingo. „Dann entsteht ein Funke im Kopf, fließt durch den Arm, wird eine Skizze auf Papier und damit greifbar.“ Mathias nickt: „Die größte Inspiration sind für mich die Menschen. Beobachtet man sie genau, dann zeigt das oft den Weg auf.“
Seit vielen Jahren kennen sich Ingo und Mathias bereits aus ihrer Arbeit bei Volkswagen. Heute gehen sie von Potsdam aus zusammen auf eine ganz besondere Erkundungstour und tauchen ein in die persönliche Lebenswelt des jeweils anderen: Was bewegt sie außerhalb der Designstudios? Was inspiriert sie? Und an welchen Orten holen sie sich ihre Inspirationen?
Bildstarker Bogen. Nach Berlin geht es nun, dorthin, wo beide seit vielen Jahren zu Hause sind. Erste Station: Charlottenburg. Ingo lenkt den Golf GTE auf einen gerade frei gewordenen Parkplatz am belebten Savignyplatz. Die zahlreichen Straßencafés und Restaurants sind voll, man genießt noch einmal die Spätsommersonne. Über den „Bücherbogen“ hinweg rattert die S-Bahn, in der sich im Stakkato die Sonne bricht. Man spürt sofort: Dieser Ort hat ein ganz besonderes Flair. Ein Ort, an den es Mathias immer wieder zieht.
Das historische Gebäude des alten Stadtbahnbogens beherbergt seit 1980 eine Buchhandlung, bekannt für ein internationales Sortiment aus Architektur, Fotografie, Film, Kunst und Mode – und einer von Mathias’ Lieblingsorten. „Ich habe lange hier in der Gegend studiert und gelebt. Und es ist immer noch diese Buchhandlung, wo ich meine Bücher finde.“ Mathias und Ingo stöbern durch die gewölbeartigen Räume, verlieren sich in Gesprächen über Kunst und Design. Auch Ingo ist sofort von der magischen Atmosphäre und der unfassbar vielfältigen Buchauswahl im „Bücherbogen“ begeistert, findet prompt einen grafischen Bildband für seine Frau, welch ein Glück, sie haben heute Hochzeitstag. „Ausgewählte Bücher, die Architektur und drumherum viele Menschen unterschiedlichster Art und Nationen – das hier ist für mich ein wunderbares Gesamtensemble,“ erklärt Mathias und lächelt.
Urbane Coolness. „In Namibia geboren, in Hannover aufgewachsen, in Berlin studiert. Ich mag die Mischung von Internationalität und Provinzialität hier“, sagt Mathias. Und Ingo ergänzt lachend: „Von Braunschweig nach L.A. und dann Berlin, das hat mich auch geprägt.“ „Vor allem die Kontraste sind es, die beide Designer an Berlin so faszinieren. Inzwischen sind sie in Kreuzberg angekommen, dem Stadtteil, in dem Ingo mit seiner Familie wohnt, in direkter Nähe zur Spree. „Charlottenburg ist das urtypische Westberlin, das rotzige Kreuzberg dagegen hat die berüchtigte Berliner Schnauze und viel Herz – hier ist jeder Kiez anders, das mag ich“, sagt Mathias, nachdem er ausgestiegen ist.
Den Golf GTE hat er auf einem fast unwirklich wirkenden Areal geparkt, das für ihn und Ingo den urbanen Style perfekt widerspiegelt: Riesige Graffiti an alten Mauern, ein Fabrikschornstein, von der Abendsonne fast filmisch erleuchtet. Bunte Farbflächen, schon halb verwittert, markieren einen Basketballplatz. „Solche überraschenden Orte findet man in Berlin überall“, sagt Ingo. „Und es ist ein tolles Gefühl, an so einem Ort wohnen zu dürfen. Die Stadt ist ein Schmelztiegel: viel Historie, viele Nationen, viele Kontraste, viel Neues. Es kommt immer was dazu und verändert sich, alles ist dynamisch.“
Einen spannenden Kontrast bildet auch der oryxweiße Golf GTE, wie er da so steht, ganz pur und brandneu, vor den alten Fabrikmauern mit den sehr kunstvollen, oft fast psychedelisch anmutenden Graffiti. Ihm gehört jetzt die Aufmerksamkeit der beiden Designer. Was ist es denn eigentlich, was das Golf Design ausmacht? „Einfachheit!“, bringt Mathias es auf den Punkt. „Der Golf steht in einer Wahnsinnsreihe von acht! Sieht einfach aus, aber es steckt viel harte Arbeit drin.“ Der Golf in drei Worten? „Zeitlos – intelligent – lebendig“, sagt Ingo überzeugt. „Als wir ihn gedacht und gezeichnet haben, war der neue Golf lange nur für ein kleines Team greifbar. Jetzt kann ihn endlich jeder fahren.“
Ingo und Mathias schlendern zum Ufer der Spree, die Abenddämmerung legt sich langsam über die Stadt. Größer könnte der Gegensatz kaum sein: eben noch der Lärm der Hauptstadtstraßen, nun die Ruhe des Flusses. Hier ist Ingos Rückzugsort. Eingerahmt ist die Spree hier auf beiden Uferseiten von beeindruckend abwechslungsreicher Architektur: Auf dieser Seite kreativ gestaltete Arbeits- und Wohnhäuser. Gegenüber: der Holzmarkt 25, ein multifunktional genutztes Kulturzentrum. Von den Außencafés dringen leise die Stimmen der Gäste herüber. „Ein toller Kontrast. Wenn du von der belebten Hauptstraße kommst, blitzelt schon das Wasser, dann die Siedlung mit dem Mix unterschiedlicher Bauten. Da möchte ich sofort verweilen.“
Die Sonne geht unter. Abendlicht auf der Spree, Ingo und Mathias sitzen am Ufer. „Das gibt Ruhe, man lässt los. Alles, was laut ist, sich bewegt, ist da drüben“, sagt Ingo und weist auf das andere Ufer mit Stimmengewirr aus erleuchteten Lokalen. „Das gibt wiederum Raum. Raum für Kopfkino. Und dann drehen sich auch Formen im Kopf, werden Ideen. Das ist nicht Inspiration im eigentlichen Sinne, sondern ein Loslassen.“
Ingo und Mathias blicken auf das Lichterspiel in der Spree, prosten sich zu. Ingo hatte Getränke vom Späti um die Ecke geholt. Und so reden sie noch über das Leben in der großen Stadt und das Arbeiten als Volkswagen Designer. Wie herausfordernd und anstrengend beides oft auch sein kann, aber meistens eben vor allem auch: einfach toll, gerade durch die Zusammenarbeit mit den anderen Designern und Bereichen, mit denen man sich so perfekt ergänzt – und zusammen Spaß hat.
„Design ist Teamsport. Das kann niemand alleine machen“, sagt Mathias in den Abend. Ingo nickt. Die Lichter flackern leise.