Vollautomatisiert, vernetzt, fahrerlos – seit knapp einem Jahrhundert träumt die Menschheit vom autonomen Auto. Der Volkswagen Konzern will die Vision Wirklichkeit werden lassen und treibt mit Ingenieuren, Designern und Entwicklern das Entstehen der neuen Technologie entscheidend voran. Beispiel Hamburg: Seit März 2019 fährt ein Team von Volkswagen Group Innovation mit fünf umgerüsteten e-Golf auf einer definierten Strecke in der Innenstadt.
15 Laptops steuern diesen Golf
Seit März 2019 testet Volkswagen autonomes Fahren in Hamburg mit fünf umgerüsteten e-Golf im öffentlichen Straßenverkehr. Bis 2025 soll ein eigenes, selbstfahrendes System marktreif sein.
INFOKASTEN: Unterstützung für den "ITS-Weltkongress 2021"
Mit Hamburg verbindet Volkswagen eine besonders enge Partnerschaft. So unterstützt das Unternehmen die Hansestadt bei der Vorbereitung des ITS-Weltkongress 2021. Mehr als 400 Unternehmen aus aller Welt stellen auf dem größten Fachkongress für Intelligente Verkehrs- und Transportsysteme (ITS) vom 11. bis 15. Oktober 2021 die neusten Trends und Innovationen für die Digitalisierung von Mobilität und Logistik vor.
Unter Leitung von Hamburgs Ersten Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher und Jürgen Rittersberger, Leiter des Generalsekretariats und der Konzernstrategie der Volkswagen AG, kamen dafür am 11. November in Berlin Vertreter aus Industrie und Verbänden zur Konstituierung eines Gastgeberkomitees zusammen. Das sogenannte „Host Committee“, an dem auch der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Enak Ferlemann, teilnahm, fungiert wie ein Kuratorium und umfasst hochrangige Vertreter der Automobil-, Luftfahrt- und Logistikwirtschaft und des öffentlichen Verkehrs sowie aus der Forschung.
„Der ITS Weltkongress 2021 in Hamburg ist eine gute Chance, der Welt zu zeigen, dass Deutschland über innovative Lösungen im Bereich Transport bzw. Mobilität verfügt. Volkswagen geht voran bei dem Thema und hat daher die Bewerbung zur Austragung des ITS Weltkongresses in Hamburg von Beginn an maßgeblich unterstützt. Nun wollen wir im Host Committee zu einem erfolgreichen Kongress beitragen“, so Rittersberger.
Auf dem Weg zur Marktreife
In mehreren jeweils circa eine Woche dauernden Testphasen wird der etwa drei Kilometer lange Abschnitt im Bereich der Messehallen mehrmals täglich befahren. Verschiedene Sensoren auf dem Dach, in den Kotflügeln, im Front- und Heckbereich analysieren die Umgebung mit jeweils elf Lasern, sieben Radaren, 14 Kameras und mittels Ultraschall. In jedem Kofferraum steckt die Rechenleistung von 15 Laptops, die bis zu fünf Gigabyte Daten pro Minute austauschen.
„Wir arbeiten an einem marktreifen selbstfahrenden System, das wir bereits ab Mitte der kommenden Dekade kommerzialisieren wollen“, sagt Alexander Hitzinger, Senior Vice President für Autonomes Fahren des Volkswagen Konzerns, Markenvorstand für Technische Entwicklung bei Volkswagen Nutzfahrzeuge und seit Kurzem CEO der neugegründeten Volkswagen Autonomy GmbH
Autonomes Fahren bereits seit Anfang der 2000er Jahre
Gestartet wurde die „Mission Full Autonomy“, wie es Hitzinger auch nennt, von Volkswagen Anfang der 2000er Jahre in den USA.
Im Rahmen der DARPA-Rennsport-Challenge, die von der „Defense Advanced Research Projects Agency“, kurz DARPA, ins Leben gerufen wurde, fuhr Volkswagen damals autonom durch die Mojave-Wüste in Nevada. 2007 folgten die ersten Versuche, autonomes Fahren auch in städtischen Gebieten auszuprobieren. 2017 wurde mit dem SEDRIC, kurz für Self Driving Car, erstmals ein Konzeptfahrzeug vorgestellt, das eine Vorstellung davon gab, wie ein Auto in der Zukunft autonom aussehen könnte. Nämlich: auf Knopfdruck verfügbar, einfach, nachhaltig, komfortabel und sicher.
Damit autonome Fahrzeuge ohne Lenkrad, Pedale und Cockpit und damit auch ohne Fahrer auskommen, braucht es hochkomplexe, intelligente Systeme, viel Entwicklungszeit und hohe Investitionen. Um zum führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität zu werden, investiert der Volkswagen Konzern deshalb bis 2023 44 Milliarden Euro in die Zukunftsfelder E-Mobilität, autonomes Fahren, neue Mobilitätsdienste und die Digitalisierung von Fahrzeugen und Werken.
Fünf Automatisierungsgrade
Heute übernimmt der Fahrer die meisten Fahraufgaben zwar immer noch selbst und trifft damit auch alle Entscheidungen.
Die Verantwortung überträgt sich aber zunehmend auf das Fahrzeug. Das heißt, wenn Systeme bestimmte Fahraufgaben selbstständig und ohne menschlichen Eingriff für einen begrenzten Zeitraum und unter geeigneten, vorgegebenen Bedingungen bewältigen. Beispiel: Der Autopilot. Der Volkswagen Konzern unterscheidet dabei verschiedene Automatisierungsgrade – vom komplett manuellen Fahren (Level 0) bis zum autonomen Fahren ohne Lenkrad im Auto (Level 5):
„Wir als Menschen haben von Kindesbeinen an gelernt, unsere Umgebung wahrzunehmen. Das müssen wir der Technik aber erst beibringen. Durch Sensoren zu verstehen, was um das Fahrzeug herum passiert, was die anderen Verkehrsteilnehmer tun”, beschreibt es Helge Neuner, Head of COI Automation bei Group Innovation und Leiter der Forschungsabteilung zum autonomen Fahren beim Volkswagen Konzern.
Autonomes Fahren als größte Herausforderung
Hitzinger sieht dieses Unterfangen deshalb auch als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Es gehe um die Optimierung und das Zusammenspiel einer hochkomplexen Systemarchitektur aus Sensoren, Hochleistungscomputern, Softwarealgorithmen und einer schier endlosen Anzahl an Verkehrs- und Sicherheitsszenarien, die berücksichtigt werden müssten. Was es dazu aus seiner eigenen Erfahrung brauche, sind agile, kompakte Teams.
Alexander Hitzinger kommt ursprünglich aus dem Motorsport. Als technischer Direktor bei Porsche gewann er mit seinem Team dreimal hintereinander die Rennserie „24 Stunden von Les Mans“ und lernte dabei, wie wichtig eine kompakte Mannschaft ist, um erfolgreich zu sein. Erfahrung sammelte er auch im Technologiebereich bei Apple im Silicon Valley. Hier verantwortete er speziell den Bereich Autonomie. Seit Januar 2019 ist er beim Volkswagen Konzern verantwortlich für die Entwicklung des vollautonomen Fahrens.
Volkswagen hat deshalb die Volkswagen Autonomy GmbH, kurz VWAT, gegründet. Das neue Tochterunternehmen der Wolfsburger wird global aufgestellt und will die besten Entwickler aus aller Welt – von Wolfsburg über Peking bis ins Silicon Valley – standortunabhängig zusammenbringen. Als Kompetenzzentrum für autonomes Fahren ab Level 4 soll die VWAT unter Leitung von Hitzinger dabei selbstfahrende Systeme zur Marktreife bringen und mit Argo AI als starken Software-Partner eine Brücke zwischen Technologie- und Automobilwelt bilden. Die Testfahrten auf der von der Hansestadt Hamburg eingerichteten Strecke für automatisiertes und vernetztes Fahren (TAVF) ermöglichen die Optimierungen der eingesetzten Software. Schon heute sind die speziell ausgerüsteten e-Golf in der Lage, das potenzielle Verkehrsgeschehen rund zehn Sekunden vorauszuberechnen – mithilfe der umfangreichen Daten, die während der neunmonatigen Testphase gewonnen wurden.
Das System kann somit mögliche Szenarien vorwegnehmen und verringert die Reaktionszeit deutlich. So können autonom fahrende Fahrzeuge auf etwaige Gefahren schon reagieren, bevor sie überhaupt entstehen. Wichtig ist dabei vor allem die schnelle und zeitgleiche Verarbeitung von extrem großen Datensätzen.
In dem Projekt wurde mit unterschiedlichen Ansätzen für künstliche Intelligenz wie Deep Learning, neuronalen Netzwerken und Mustererkennungsverfahren gearbeitet. Das Verkehrsgeschehen wird anhand der Daten mehrere Male pro Sekunde neu evaluiert. Die dafür nötige Software wurde vom Team der Volkswagen Group Innovation selbst geschrieben.
Und: Die Fahrzeuge waren bisher selbst im dichten Hamburger Straßenverkehr immer regelkonform unterwegs. Dank verbesserter Algorithmen aller Softwarekomponenten können die eingesetzten Fahrzeuge selbst extrem komplexe Situationen sicher beherrschen.
„Die Entwicklung von Level 4 autonomen Fahren ist ein äußerst komplexes Unterfangen, bei dem man sehr stark von der Verfügbarkeit von Daten abhängig ist‘“, so Hitzinger. „Die Teststrecke in Hamburg hat uns erlaubt, reale Szenarien zu erproben und das System daraufhin zu optimieren. Als Nächstes wollen wir die Anzahl an Szenarien drastisch erhöhen. Dafür müssen wir vor allem Simulationen nutzen.“
So wird in absehbarer Zukunft sogar vollautonomes Fahren auch in Serie gehen. Und das Fahrzeug zum komfortablen Zuhause. Ein inklusives Mobilitätserlebnis für jeden, zu jeder Zeit und an jedem Ort.